Freitag, 1. April 2011

Neue Perspektiven


 Mein Bruder war zu Besuch! Und die Steffi hat er auch mitgebracht! Und zwei neue Objektive aus Deutschland, aber dazu später mehr :)

 Obwohl das Wetter meistens bescheiden war, hatten wir doch viel Spaß. Und wieder mal vollstes Programm... in der Hinsicht scheine ich lernresistent zu sein. Aber wenn man auch nur 72 Stunden im Land ist, muss man doch so viel mitnehmen, wie möglich, oder nicht? In diesem Falle hieß das Cambridge, London, Ipswich, Felixstowe und wieder Cambridge. Jetzt aber mal im Detail:

  Die beiden aus dem tiefen Süden im hohen Bayern war überrascht und hocherfreut über die Blumenpracht Cambridges im Frühling, denn in ihrer Heimat regiert noch der Spätwinter. Hab im zweiten Durchgang der Photoauswahl nochmal zehn Blumenbilder rausschmeißen müssen, denn die kennt ihr schon lange zu Genüge.
  Eine neue Perspektive bietet aber die Tamron 18-200mm, die der Atti mir im Handgepäck über die englische Grenze geschmuggelt hat. Denn jetzt habe ich statt dreifachem Zoom mit dem Sony-Kit-Objektiv, einen elffachen! Und weil die Enten jetzt nicht mehr vor einem weglaufen, wenn man zu nah an sie rankommt, kann man sie auch beim genüsslichen Kratzen abbilden. Diese Zoomrange bietet aber auch Nachteile, wie das Bild unten zeigt: Äste in Cambridge sind nicht blau, das macht das Objektiv. Auch die Schärfe bleibt deutlich hinter meinen anderen Objektiven (und die sind auch nicht gerade high-end), aber der Vorteil auf belebten Straßen beim Reisen nicht das Objektiv wechseln zu müssen, wenn man irgendwas interessantes in der Ferne sieht (oder wenn man nicht näher rankommen kann), ist den Qualitätsverlust für mich einfach wert. Genug Linsengedöns. Vorerst ;)


 Wir erkundeten also ein paar Colleges, darunter natürlich King's und St John's, aber zum ersten Mal für mich in diesen sechs Monaten auch Clare College (obwohl es recht nahe liegt und das zweitälteste in Cambridge ist). Es hat wunderschöne Gärten und das Bild oben von Atti und Steffi neben dem Meer aus Osterglocken ist in Clare aufgenommen worden. Nach einem kurzen Einkauf im Sainsbury's und der Vorführung des Self-Check-Outs kamen wir im Lion Yard-Einkaufszentrum vorbei, wo diese dubiose Werbung aushang...


   Selbst beim Abendessen im Eagle, natürlich Fish and Chips, konnte ich es mir nicht nehmen lassen, meine armen Gäste mit noch mehr Photos zu quälen. An Atti wollte ich die Rembrandt-Belichtung ausprobieren, zu der ich tags zuvor ein Youtube-Tutorial gesehen hatte. Charakteristisch ist das helle Dreieck unter dem Auge, das uns näher ist. Magste?

 Vollgestopft mit lecker englisch Essen, fielen wir kollektiv schon um zehn ins Bett. Vor der Zeitumstellung wäre das sogar neun  Uhr gewesen! Mit neuem Tagesrhythmus zum Erfolg - das neue Buch von Thomas Czikmantori.


 Dann kann man auch um sieben aufstehen. Sogar zu früh für's Frühstück in der Mensa. Aber niemals zu früh für London in all seiner rushhouresken Großstädtigkeit. Wir brachten es wirklich zustande die Londoner Innenstadt zu Fuß zu bewältigen, von St Pancr(e)as (ich liebe dieses Gebäude!!! Sir George Gilbert Scott eben) bis zum Harrods südlich des Hyde Parks.

  Einen McLaren F1 haben wir auf der Park Ln zwar nicht gesehen, aber es gab andere schöne Boliden zu sehen, der Audi R8 hier noch der unspektakulärste; Aston Martin, Ferrari und Koenigsegg standen Schweller an Schweller hinter (wir können nur vermuten) Panzerglas vermutlich mit dem einzigen Zweck, uns neidisch auf all die Menschen zu machen, die sich so ein Gefährt jemals leisten werden können. Dann doch lieber eine g'scheide Kamera :D

  Der McLaren F1 unter den Warenhäusern ist unumstritten das Harrods in London. Von außen eine eklektizistischer Palast, von innen umso mehr: überall Marmor, Dekor im Überfluss und Reichtum, der wirklich stinkt. Kurz nach unserem Betreten nämlich wurden wir von dutzenden VerkäuferInnen, welche professionellen Tänzern glichen (orange-braune Haut, polar-weiße Zähne und akribisch verkleistertes Haar), gefragt, ob wir nicht diesen oder jenen Duft von Prada und Co probieren würden, das Flakon in den manikürten Händen im Anschlag.

  Eines muss man dem Haus aber lassen: Die im Jugendstil dekorierten Food Halls sind wunderschön und das Essen sieht einladend aus. Die Preise nicht. Hab mir aber eine Designerflasche Wasser gegönnt, der Preis bleibt geheim.
 Da mein Akku sich dem Ende neigte, holte ich noch schnell die zweite neue Linse aus dem Kameratäschchen. Das Fischauge von Lensbaby. Macht eckiges rund und rundes noch runder. Und es kriegt alles aufs Bild, selbst wenn man nur wenige Meter davor steht, wie das London Eye zum Beispiel. Welches übrigens unerhöhrte 18 Pfund Eintritt kostet! Da hab ich gesagt "Nö! Für das Geld doch lieber einen Graufilter.". Muss nur noch lernen, mit dem schönen Fischauge umzugehen...


  Da sind meine zwei Hübschen vor der Tower-Bridge. Ihr seht, wir haben wirklich alles in London an einem Tag gesehen. Wenn man nur den Touri-Kram zählt. Ich muss nämlich wieder zurück. Für die Museen, für die Photographie-Abteilung im Harrods (die haben selbst die Pentax 645D für 12,000 Pfund da! Aber keine Grauverlaufsfilter) und für die verrückten Leute auf der Straße. Und natürlich Char Siu ^^
 Ach, letzteres bringt mich noch zu einer kleinen Geschichte. Für ein Mittagessen in London kam für mich natürlich nur China Town in Frage. Wir fanden auch ein nettes Restaurant, leider die Bedienung das genaue Gegenteil. Sich regelrecht über unsere Unchinesischkeit lustig machend, in Gebährden erklärend, was der Unterschied zwischen Messer/Gabel und Essstäbchen sei, da wir scheinbar nicht schnell genug nickten, als sie uns fragte, ob wir eben Messer und Gabel haben wollten. Dabei war das Restaurant fast leer. Wozu also die Eile? An dieser Stelle schließt sich ein furchtbar schlechter Wortwitz an, der einene Bezug zwischen Eile und Ely herstellen möchte, denn mein Essen war ziemlich eely, da es kein Char Siu gab (zumindest konnte ich keines auf der chinesischen Karte finden). Mein erstes Mal Aal. War alles ganz ok. Ich muss unbedingt mit Ale nach China Town, wenn er mich besuchen kommt... oh dear...


 Der dritte Tag begann gewohnt früh um sieben Uhr und führte uns diesmal Richtung Küste. Zwischenstopp Ipswich.


Bekannt für Fachwerkhäuser wie da oben, war der Gesamteindruck doch leider ein bisschen mehr wie da unten... abgefuckt und asi. Hatte aber auch durchaus schöne Ecken.









  Die Taube kann sich den stolzen Gang leisten, denn im Vergleich zu vielen Leuten in Ipswich ist sie ein Pfau. Eine höchst unsympathische Stadt. Atti und Steffi hielten mich selbst aus der Ferne im Auge, da ein verdächtiger Kapuziener mehrmals hinter mir vorbei gegangen war, als ich die Vögel im Park photographiert habe.


  Einen Hafen gab es auch, aber es war leider zu windig, als dass wir ihn hätten richtig genießen können.Kann Ipswich aber jetzt nichts dafür.
  Ein Photo vom ipswicher Bahnhof, an dem wir viel zu lange warten mussten, da wir den Zug nach Felixstowe verpasst hatten. Nicht etwa, weil wir zu spät gewesen wären, nein, weil Gleis 2 ca. 100 Meter lang ist, während der "Zug" ins Küstenstädtchen nur etwa fünf. Die Zahlen natürlich etwas übertrieben, aber wir saßen wirklich eine halbe Stunde am richtigen Gleis und merkten nicht als der Zug ankam und wieder abfuhr. Es war nur ein kleiner Wagon am "falschen" Ende des Gleises. In der weiteren Stunde die wir im verfluchten Ipswich verbringen mussten, begaben wir uns auf die Suche nach Nahrung und fanden einen McDonalds.


 Felixstowe nach all dem Aufwand leider ziemlich verregnet, daher nur schnell unter Schirmen zum Strand, Ausblick aufsaugen und zurück zum Bahnhof. Hier zum Glück nur ein Gleis und jenes nicht viel länger als der eine Wagon der stündlich ein und ausfährt. 


 Und schon sind wir am Ende der Geschichte. Aber nur fast. Es folgte noch ein Abendessen im Anchor und ein weiteres Mal aufstehen um sieben. Ein bisschen Shopping im Grafton Center und Primark. Ein Mittagessen im Eagle. Ein kurzer Besuch des Archeologischen Museums. Und es folgte ein Abschied am Bahnhof, nachdem eine fiese Metallschlange so symbolträchtig die Zeit eines Bürogebäudes beendete, wie die Zeit selbst unsere gemeinsame. Vier schöne Tage waren vorüber wie ein Augenblick.



Nachdem die beiden in den Zug gestiegen waren, widmete ich mich noch einmal der Metallschlange. Oder dem Metalldrachen, -dinosauer oder lindwyrm, alle passen. Wie Papier durchdrang er die Betonwände des ruinierten Gebäudes. Fasziniert von der Zerstörung und überglücklich über so ein großartiges Motiv für mein neues 200mm-Telephoto-Vermögen schoss ich die komplette Speicherkarte voll. Zum Glück war sie irgendwann voll, sonst wäre ich da nie mehr weggekommen. Fast 600 Bilder.







 Ich schlich mich sogar auf das Baugelände, um schließlich das beste Photo des Tages zu schießen, bevor ich von einem Bauarbeiter rausgeschmissen wurde. Das Shooting ging aber aus einem ähnlich guten Winkel weiter, dank artikulierbarem Screen. Ich stand auf einer kleinen Mauer und spähte auf das Display, das ich nach unten klappen kann, komponierte so noch ein paar Dutzend Shots, bevor meine Arme endgültig zu müde wurden. Und das hier ist erst die Rohversion! Gehört definitiv in mein mein Top 10-Portfolio. Daher in Ubergröße :)




 Eine letzte erwähnenswerte Sache ist noch passiert. Heute habe ich mir zum ersten Mal in meinem Leben selber die Haare geschnitten und ich muss sagen, so viel Spaß es auch gemacht hat, so war es doch mühselig und langwierig. Damit ihr sehen könnt, dass das Ergebnis bei meinen unkomplizierten Haaren trotz des Dilettantismus ganz ok geworden ist, habe ich mich an einem Selbstportrait geübt. Das hat mit der F1.4er aber so viel Spaß gemacht, dass ich immer weiter gemacht habe, mit verschiedenen Lichtquellen, verschiedenen Kamerapositionen, verschiedenen Kompostitionen, Tiefenschärfeausmaßen, Hintergründen und Belichtungen. Hier seht ihr ihr die Version mit natürlichem Licht durch das hohe Fenster, Rembrandt-Belichtung, Mittelkomposition mit ein bisschen Hintergrund und Überbelichtung bei sehr geringer Tiefenschärfe (50mm, F1.4, 1/15, ISO 200, EV +1.3).


 Zum Schluss ging es so weit, dass ich mir selbst assistiert habe und mit einem Reflektor (eigentlich CUS-Kalender, DinA2 glänzend weiße Rückseite) ein bisschen Licht zurück auf die Schattenseite meines Gesichtes geworfen habe, um jene ein bisschen aufzuhellen und zu konturieren.
 Damit habe ich leider herausgefunden, dass ich auch an der Manipulation von Licht, wovon ich früher immer ausgegangen war, dass es mir keinen Spaß machen würde, weil zu künstlich, doch Gefallen finde. Bevor ich mir aber diverse Strobes, Soft-Boxen und Silber-/Gold-Reflektoren zulege, arbeite ich lieber vorerst mit meinem Fenster und der CUS-Kalenderrückseite.
 Wie so oft, zum Schluss ein Bild, das Kunst ist: weil ein Obdachloser neben einem Benz drauf ist. Und das noch in Schwarzweiß! Ironischer Weise dreht sich ein Schwarzer nach dem Obdachlosen um, also noch ein Apartheid-Link, Sozialkritik, Spiel mit den Erwartungen des Betrachters. Oder ich habe einfach draufgehalten, weil ich vor dem Starbucks auf Atti und Steffi warten musste, und nachher das Beste aus dem Shot gemacht.

2 Kommentare:

  1. meld ich mich auch mal wieder^^
    ich muss schon sachen, du wirst ja ein richtiger küntsler!
    nein, im ernst: die fotos werden immer besser! grad die vom sightseeing in edinburgh. und schön, dass du auch mal was riskierst, um an gute fotos zu kommen^^
    ich freue mich auf meinen besuch in england!
    JohnBär

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  2. danke ^^
    von kunst bin ich noch weit entfernt (und noch weiter vom küntsler-dasein), aber ich freue mich über den offentsichtlichen fortschritt ein meinen bilder :) die volle breitseite sightseeing kriegste auch noch ab (und den thomi beim regelmäßigen stehen bleiben und knipsen) ;) freu mich drauf!

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